Werden Bauleistungen nachträglich geändert, stellt sich schnell die Frage nach der fairen Vergütung. § 650c BGB nennt „tatsächlich erforderliche Kosten“ als Maßstab – doch was ist damit gemeint? Worauf es bei der Nachtragsvergütung wirklich ankommt, erläutert Peter Wotschke, Professor für Baubetrieb und Bauwirtschaft.
Im VOB-Vertrag hat der Auftraggeber jederzeit das Recht, den Bauentwurf zu ändern oder zusätzliche Leistungen zu verlangen. Im Gegenzug hat der Auftragnehmer Anspruch darauf, dass ihn solche Eingriffe nicht schlechter (aber auch nicht besser) stellen. Er hat somit eine Vergütungsanpassung zu bekommen, wenn die ursprünglichen Preise nicht mehr passen.

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Fehlende Berechnungsgrundlage in der VOB Teil B
Wie die Berechnung genau funktioniert, regelt die VOB Teil B nicht. Praktische Hinweise gibt das „Formblatt 510 – Leitfaden zur Vergütung von Nachträgen“ des VHB. Doch dieser Leitfaden wird in der Praxis nur selten zum Vertragsbestandteil. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, hat der VOB-Vertrag hier eine Regelungslücke. Gesetzliche Regelung durch das BGB
Diese wird durch die dispositiven Regelungen des BGB geschlossen. Im Falle der Vergütung von nachträglichen Änderungen des Bauentwurfs durch den Auftraggeber (im BGB: Besteller) sind dies die Regelungen der §§ 650b und 650c BGB.
Der § 650b BGB regelt das Anordnungsrecht. Der § 650c BGB regelt, dass die Höhe des Vergütungsanspruchs bei Nachträgen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zu ermitteln ist, sofern die Parteien sich nicht zuvor auf eine Vergütung einigen konnten und der Besteller die Leistung gem. § 650b Satz 2 BGB anordnet.
Doch was sind „tatsächlich erforderliche Kosten“? Unterscheiden sich diese von „tatsächlichen Kosten“? Und wie grenzt man erforderliche Kosten von solchen ab, die nicht erforderlich sind?
In der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung der Bauunternehmen werden Kosten als der bewertete Verbrauch von Sachgütern und Dienstleistungen zum Zwecke der betrieblichen Leistungserstellung verstanden. Kosten sind damit eine Teilmenge der Aufwendungen.
Die Begriffe „Kosten“ und „Aufwendungen“ werden beide als Größen mit der Maßeinheit Euro verstanden. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das nicht immer so: Häufig werden Arbeits- oder Maschinenstunden, die für eine Bauleistung aufgebracht werden müssen, ebenfalls als Aufwendungen bezeichnet. Diese werden dann in Zeiteinheiten, also Stunden oder Minuten, bemessen und nicht in Euro. Definition von Kosten im Bauwesen
Kosten im Bauwesen sind gemäß DIN 276 (2018-12) „Aufwendungen für Güter, Leistungen und Abgaben, die für die Planung und Ausführung von Baumaßnahmen erforderlich sind.“ In der Baukalkulation gibt es damit keine Kosten, die nicht erforderlich sind, da Kosten im Bauwesen schon nach ihrer Definition erforderlich sind.
Ungeachtet dessen ist erkennbar, dass die Bedeutung der Erforderlichkeit verstärkt und hervorgehoben werden soll. Der Unternehmer soll somit nicht nur eine Kostenaufstellung machen oder Rechnungen einreichen. Vielmehr soll dargestellt werden, dass die angeführten Kosten wirklich aufgrund der Änderungsanordnung notwendig waren und der Unternehmer nicht sinnlos das Geld des Bestellers ver(sch)wendet hat oder es auch ohne die Änderung hätte ausgeben müssen.
Der Gesetzgeber verwendet die Begriffe „tatsächlich erforderliche Kosten“, „tatsächliche Kosten“ und „Ist-Kosten“ in einer Art, die nicht zweifelsfrei erkennen lässt, ob es sich dabei um verschiedene Begriffe für ein und dieselbe Sache handeln soll oder ob bewusst unterschiedliche Begriffe verwendet wurden, um inhaltliche Unterschiede hervorzuheben. Dies ergibt sich zumindest nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf, in welcher diese drei Begriffe genannt werden.
Im Sinne des Gesetzgebers handelt es sich hierbei um wirklich entstandene Ist-Kosten, aus denen durch Differenzbildung zu den kalkulierten Kosten die tatsächlich angefallenen Mehr- oder Minderkosten ermittelt werden.
Eine solche Rechnung kann man regelmäßig nur dann anstellen, wenn die Leistung erbracht und die Ist-Kosten angefallen sind. Ein Angebotspreis kann auf diese Weise nicht vor der Ausführung erstellt werden, ohne dass Erfordernis und Tatsache der Kosten beanstandet werden können. Somit bildet die nachträgliche Kalkulation die Grundlage, um die tatsächlich entstandenen Kosten des Unternehmers transparent darzustellen.
Keine exakte Abbildung: Kalkulation als Modell
Die Preisbildung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Methodik des § 650c vereinfacht, nicht erschwert werden. Bereits der Rückgriff des Gesetzgebers auf Urkalkulation in § 650c Abs. 2 legt nahe, dass es nicht darum geht, dass „tatsächliche Kosten“ die Wirklichkeit „exakt“ bis ins kleinste Detail abbilden.
Das wäre auch nicht machbar, da die Kalkulation ein Modell ist, welches ein erwartetes künftiges Kostengeschehen abbildet. In der Buchführung gibt es darüber hinaus nicht nur pagatorische Kosten, also solche, bei denen ein Zahlungsfluss festgestellt werden kann. Es gibt auch rein kalkulatorische Kosten, bei denen nicht unbedingt Geld fließt. Dies ist der Fall etwa bei kalkulatorischen Mieten für eigene Gebäude, beim kalkulatorischen Unternehmerlohn oder bei kalkulatorischen Abschreibungen und Verzinsungen.
Das Modell der Kalkulation kann also nur hinreichend genau sein, nicht aber exakt. Andernfalls wird die Vermutung des Gesetzgebers in § 650c BGB, die auf Basis der Urkalkulation fortgeschriebene Vergütung entspräche der Vergütung nach tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen, immer widerlegbar sein, die Regelung wäre sinnfrei.
Was bedeutet das für die Praxis?
Bereits die ungenaue Verwendung der Begrifflichkeiten sorgt in der Praxis für Verwirrung. So nehmen Auftragnehmer manches Mal an, sie könnten mit Bezug auf § 650c BGB sämtliche Kosten zur Abrechnung bringen, die im Kontext der Nachtragsleistung angefallen sind. Dies könnte dazu führen, dass es für einen Unternehmer attraktiv wäre, seine Leistung deutlich unter Wert anzubieten, um dann bei einer Änderung jegliche Kosten einer Nachtragsposition zuzuordnen und abzurechnen. So würde der Spekulation mehr Raum eingeräumt, anstatt diese zu unterbinden. Es liegt auf der Hand, dass dies vom Gesetzgeber so nicht gewünscht ist. Der Auftragnehmer soll daher auch den Beweis antreten, dass die aufgewandten Kosten auch wirklich erforderlich waren. Diese Ergänzung dient damit als eine Art Korrektiv.
Auf der anderen Seite soll der Auftraggeber nicht mit überzogenen Anforderungen an die Nachweisführung eine faire Vergütung verhindern können. Wie diese Anforderungen nun aber auszusehen haben, regelt der Gesetzgeber nicht. Das müssen die Parteien tun.
Beispielsweise könnten Preisentwicklungen über konkrete Indizes ermittelt werden, statt anhand von Lieferantenrechnungen. Auch könnte man etwa vereinbaren, dass der Einsatz des eigenen Personals oder eigener Geräte zu festgesetzten Kostensätzen verrechnet und der erforderliche Stundenaufwand individuell dokumentiert wird.
„An beide Parteien ist die dringende Empfehlung zu richten, sich bereits mit Vertragsschluss darauf zu verständigen, wie die Bildung von Nachtragspreisen konkret aussehen soll. Dann braucht es nicht den Blick in das Gesetz und nicht die Entscheidung eines Gerichts.“